Wir werden digitale Nomaden

Mit einem festen Wohnsitz in Deutschland genießt man gewisse Rechte. Auch auf einige Vorteile wollen wir auch während unserer Reise nicht verzichten. Daher haben wir nach einem passendes Konstrukt für uns gesucht.

Der Blog wirelesslife hat umfangreiche Informationen zum Thema „Ortsunabhängiges Leben“ zusammengetragen und hat diese in drei Artikeln passend zu allen erdenklichen Lebenssituationen aufbereitet:

Auf dieser Basis und mit weiterer Internet-Recherche haben wir unser perfektes Modell gefunden. Eine Vorwarnung vorweg: dieser Artikel ist sehr rechtslastig und stellt natürlich keine Rechtsberatung dar ;-).

Rechtliche Hintergründe von Wohnung und Wohnsitz

Grundsätzlich gibt es drei Bereiche, die relevant sind:

Anmeldepflicht nach dem Bundesmeldegesetz

Entsprechend des §17 Abs. 1 BMG ist jeder, der in Deutschland eine Wohnung bezieht, zur Anmeldung beim zuständigen Einwohnermeldeamt verpflichtet. Eine Wohnung ist laut §20 Abs. 1 BMG „[…] jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird.“ Gleichzeitig muss der Raum Bedürfnisse erfüllen, die über den bloßen Aufenthalt hinausgehen. Insbesondere zählen dazu die Möglichkeit der Wasserentnahme und das Vorhandensein irgendeiner Form von Toilette. Eine Heizung oder eine Kochgelegenheit sind für die Definition einer Wohnung nicht notwendig. Das Bundesmeldegesetz kennt sogar auch Wohnmobile und definiert im §20 Abs. 3 BMG: „Wohnwagen und Wohnschiffe sind nur dann als Wohnungen anzusehen, wenn sie nicht oder nur gelegentlich fortbewegt werden.“. In dem Fall regelt der §29 Abs. 4 BMG, dass man sich bei der Adresse des Stellplatzes anmelden muss – allerdings nur, wenn man mehr als 3 Monate dort steht und keine andere Wohnung in Deutschland angemeldet hat.

Damit wären wir laut Bundesmeldegesetz von der Anmeldepflicht grundsätzlich befreit.

Anmeldepflicht aus steuerlichen Gründen

Steuerrechtlich gibt es einen Wohnsitz und einen gewöhnlichen Aufenthaltsort. §8 Abgabenordnung definiert „Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.“ Wie wir im letzten Abschnitt zum Bundesmeldegesetz beschrieben haben, hätten wir nicht zwingend eine Wohnung. Im §9 der Abgabenordnung steht „Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen.

Damit hätten wir entsprechend des Steuerrechts weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthaltsort. Bedeutet dies, dass wir in Deutschland keine (Einkommens-) Steuern zahlen müssen? Theoretisch ja, d.h. wir wären auch von dieser Anmeldepflicht befreit.

Privatrechtliche Gedanken

Auch im Privatrecht wird der Wohnsitz definiert und zwar im §7 Abs. 1 BGB: „Wer sich an einem Orte ständig niederlässt, begründet an diesem Ort seinen Wohnsitz.“ Das Privatrecht ist für alle Verträge relevant, die man z.B. mit Versicherungen, Telefonanbietern, usw. eingeht. Rechtlich gesehen benötigt man keinen Wohnsitz, um mit anderen Verträge (Rechtsgeschäfte) einzugehen. Allerdings kann man bei vielen Unternehmen in den AGB sehen, dass sie einen deutschen / europäischen Wohnsitz voraussetzen, damit man mit ihnen einen Vertrag eingehen kann.

Will ich wirklich keine Wohnung und keinen Wohnsitz?

Auf die Meldepflicht der Wohnung entsprechend des Bundesmeldegesetz könnte man ganz gut verzichten, denn die Daten dürfen nur an Behörden (inkl. Finanzamt) weitergegeben werden, wenn eine Behörde nicht in der Lage wäre, ihre gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen oder wenn ein Straftatbestand vorliegt (§34 Abs. 3 und 4 BMG).

Am Wohnsitz hängen jedoch eine ganze Reihe Vorteile:

  • Privatrechtliche Verträge wie z.B. Fortführung unserer deutschen Krankenversicherung oder Neuverträge mit Dienstleistern wie z.B. Telefonanbietern
  • Kunden in Deutschland für unsere freiberufliche Tätigkeit
  • Sozialleistungen wie z.B. Elterngeld und Kindergeld
  • KFZ-Zulassung auf unseren Namen in Deutschland

Für uns ist es alles in allem viel bequemer und wahrscheinlich sogar günstiger, wenn wir einen Wohnsitz in Deutschland haben; selbst, wenn wir Steuern auf Einnahmen aus der freiberuflichen Tätigkeit zahlen.

Praktische Umsetzung des Wohnsitzes

Man kann sich nun natürlich nicht einfach einen Wohnsitz zaubern. Wir haben uns daher einen Kniff zunutze gemacht: Die sogenannte „Verfügungsgewalt über eine Wohnung“. Das bedeutet, wenn eine Wohnung zur Verfügung steht, die theoretisch genutzt werden kann, kann man sich mit dieser Anschrift beim Einwohnermeldeamt anmelden; und zwar unabhängig davon, ob man tatsächlich dort wohnt. Wir haben uns entschieden, „offiziell“ in das Kinderzimmer bei unseren Eltern einzuziehen, welches glücklicherweise nicht anderweitig genutzt wird und über das wir die Verfügung haben können.

Damit werden wir uns melderechtlich, steuerrechtlich und privatrechtlich dort anmelden. Gleichzeitig bietet es den Vorteil, dass alle (amtliche) Post an diese Adresse geht und wir so sicher gehen können, dass wir nichts Wichtiges verpassen.

In unserem Artikel „Briefe in die Cloud“ haben wir beschrieben, wie uns die Post erreicht, die bei unseren Eltern landet.

4 Antworten auf „Wir werden digitale Nomaden“

  1. Hallo, ich gehe Ende Oktober in Rente und plane, zumindest mal für zwei bis drei Jahre, ganz in ein WoMo zu ziehen und mich hauptsächlich im Bereich Skandinavien, Polen Ostseeküste, Baltikum, UK, Irland und Island aufzuhalten.

    Meine Frage: Wie macht ihr das mit den Übernachtungen? Stellt ihr euch abends immer auf einen Campingplatz oder steht ihr frei? Wie gefährlich ist das, wenn man alleine in der Landschaft steht? Autobahnen und Rasthöfen sind ja, wenn man den Meldungen glauben darf, auch nicht gerade die erste Empfehlung.

    Ab und zu muss man ja wahrscheinlich wegen Wasser, Gas, Wäsche und Abwasser auf einen Campingplatz, aber jeden Abend geht das auch ins Geld, oder?

    Wie habt ihr das gemacht bzw. macht ihr das?

    Viele Grüße

    Frank

    1. Hallo Frank, danke für deine Frage.

      Wir haben tatsächlich selten auf Campingplätzen übernachtet. Wir haben Campingplätze eher als „Urlaube“ genutzt. Den Rest der Zeit haben wir entweder ganz frei oder auf Stellplätzen gestanden. Wir haben uns sehr wohl gefühlt. Häufig waren auch andere Wohnmobile um uns herum. Das eine Mal, an dem wir uns nicht wohl gefühlt haben, sind wir einfach weitergefahren. Auswahl gibt es meistens genügend.

      Wasser und Abwasser kann man häufig an Tankstellen erledigen. Bei uns mit 120l Frischwassertank etwa alle 3-4 Tage. Gewaschen haben wir häufig auch in Waschsalons (ca. alle 3 Wochen). Nur dafür ist ein Campingplatz kein Muss…

  2. Ich bin Deutsch-Brasilianer und möchte in ein Wohnmobil leben. Ich habe kein Familie hier in Deutschland. Haben Sie eine Tipp? Ich weiss es nicht was zu tun… Entschuldigung: ich kann nicht gut Deutsch.

    1. Hallo Franz, zunächst noch mal der Hinweis, dass dieser Artikel und diese Antwort keine Rechtsberatung darstellt!
      Aus meiner Sicht solltest du dich zunächst fragen, ob du einen deutschen Wohnsitz bzw. eine deutsche Meldeadresse benötigst. z.B. um Post zu empfangen oder Leistungen vom Staat zu beziehen. Falls ja, kommt mir spontan die Idee, dass du eine „Wohngemeinschaft“ mit einem Freund machen könntest.

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